Dr. Kai Fassbender: Rede zum Haushalt 2010 im Rat am 12. Juli 2010

Fraktionsvorsitzender Dr. Kai Faßbender

Rede zum Haushalt 2010
im Rat am Montag, den 12. Juli 2010
(es gilt das gesprochene Wort)

Bergheim ist pleite, hat Rekordschulden, Rekordkreditbestände, Rekordzinsaufwendungen, eine aufgebrauchte Ausgleichsrücklage, eine bis 2013 um 27% reduzierte allgemeine Rücklage und finanziert seine Investitionen auf Pump.

Eine komfortable Ausgangslage für eine Oppositionspartei: zurücklehnen, Schuldzuweisungen formulieren, Haushalt ablehnen und Flugblätter verteilen, wie es damals die CDU in Niederaußem getan hat – so einfach kann Politik sein, so einfach könnte eine Haushaltsrede sein.

Doch so einfach hat es sich die Bergheimer SPD nicht gemacht, weil objektiv betrachtet, „die da“ – gemeint ist die Bürgermeisterin und die regierenden Parteien im Rat – zwar aus unserer Sicht einiges falsch machen, aber nicht ursächlich und ausschließlich für die desaströse Haushaltslage verantwortlich sind.

Hier sind andere Gründe zu nennen, die außerhalb Bergheims liegen und deren Ursachenforschung sicherlich sehr interessant ist, uns aber effektiv nicht weiter bringt.

Die Bergheimer SPD, wohl bemerkt in der Opposition, hat deshalb sehr rasch nach der Haushaltseinbringung die Initiative ergriffen und einen interfraktionellen Arbeitskreis initiiert, an dem dann auch tatsächlich alle im Rat vertretenen Fraktionen konstruktiv mitgearbeitet haben.

Ja, selbst das fraktionslose Mitglied der Linken hat auf unsere Einflussnahme hin an diesem Arbeitskreis teilnehmen können, hat sich dann allerdings nach nur zwei Sitzungen wieder verabschiedet und zum aktuellen Haushalt keinen einzigen Antrag eingebracht.

Meinem Genossen Hermann-Josef Falterbaum, ich weiß, dass er das Wort Genosse nicht gerne hört, aber gerade deshalb sage ich es, bin ich zu großem Dank verpflichtet, war er doch der Motor im Arbeitskreis, der die immer wieder ins Stocken geratenen Gespräche in Gang gebracht hat.

Einzig von der Bürgermeisterin bin ich enttäuscht, hätte sie sich als politisch gewählte Amtsträgerin doch auch persönlich in den Arbeitskreis einbringen können.

Doch hier delegierte sie Fachbereichsleiter und Beigeordnete hin, genau so, wie schon zuvor Peter Ludes als Leiter der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe zur Haushaltskonsolidierung bestellt wurde, anstatt den Job als Bürgermeisterin selbst zu machen.

Verantwortung und Führung kann man nicht delegieren, man muss sie wahrnehmen, auch wenn sie vielleicht nicht so viel Spaß machen, wie andere Aufgaben im Leben einer Bürgermeisterin.

Die SPD im Rat der Stadt Bergheim hat Verantwortung übernommen und sich wie keine andere Fraktion mit den Details und Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung befasst.
Dabei haben wir nicht, wie etwa die größte Fraktion im Rat der Stadt Bergheim, alle Vorgaben der Verwaltung als gegeben hingenommen, sondern vieles zunächst mal hinterfragt.

Im Ergebnis konnten so zahlreiche Positionen gefunden werden, in denen Ausgabenreduzierungen und Einnahmeerhöhungen den Haushalt verbessern und uns schließlich erst in die Lage versetzten, unsere politische Ziele zum Wohl der Stadt Bergheim finanzieren zu können.

Eine entsprechende Liste unserer Anträge füge ich dieser Rede auch für das Protokoll anbei und verweise die Zuschauer auf der Tribüne auf die Internetseite der SPD-Fraktion, wo sie sich all die Details anschauen können, mit denen sich die SPD beschäftigt hat.

Ein Resultat, das wir nicht, auch trotz aller Bemühungen nicht erreichen konnten, war der Erhalt aller Bäder, die nicht nur zu den kostenträchtigsten freiwilligen Aufgaben unserer Stadt zählen, sondern auch emotional die Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt bewegen.

Auch ich habe viele persönliche Erinnerungen an die Bäder, die schon nächstes Jahr geschlossen werden sollen.

Mädchen hintergeguckt, Wasserbomben vom Rand, was natürlich nicht erlaubt war, auf der Wiese rumgeknuscht, später den eigenen Kinder schwimmen beigebracht, oder das erst Mal mit Sohn und Tochter die große Rutsche benutzt.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir noch nicht so viel Geld hatten und uns mit zwei Kindern im Bollerwagen vom Bergheimer Dorf zum Tagesausflug in das Südwest-Bad aufmachten. Das war einfach nur eine schöne Zeit.

Wenn ich heute als Politiker, und so werden wir von der Bevölkerung gesehen – auch wenn ich mich selbst nicht so sehe – Bäder schließe, verstehe ich den Zorn und den Ärger der Menschen, weil wir ihnen etwas wegnehmen.
Und all die logischen Erklärungen und Gründe, die für die Schließung von Bädern sprechen und die aus heutiger Sicht alternativlos sind, vermögen nichts gegen die Emotionen in der Bevölkerung auszurichten. Hierfür möchte ich mich ganz ausdrücklich entschuldigen.

Bergheim spart aber nicht nur ein und kürzt Leistungen, Bergheim investiert auch, und das in die wichtigste Aufgabe unserer Gesellschaft, in die Bildung unserer Kinder.

Dabei ist Bergheim jetzt schon mit seiner Schul- und Kindergartenlandschaft hervorragend aufgestellt und untermauert dies mit dem Bau weiterer Mensen, Klassen- und Betreuungsräume an den beiden Realschulen und einem der Gymnasien sowie einer Pausenhalle an der Gesamtschule. Hinzu kommen 4 Kindergartenneubauten in den nächsten Jahren, die das Betreuungsangebot für die unter 3-jährigen in Bergheim deutlich verbessern sollen.

Einen deutlichen Mangel im Bildungsangebot der Stadt Bergheim sehen wir allerdings darin, dass die Bergheimer Gesamtschule jedes Jahr annähernd 150 Schüler, zum großen Teil Bergheimer Schüler, ablehnen muss, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.

Eine politische Forderung von uns, weitere Gesamtschulplätze in Quadrath-Ichendorf zu schaffen, beziehungsweise die Hauptschule in Niederaußem in eine Nebenstelle der Gesamtschule Quadrath-Ichendorf umzuwandeln, wurden bisher von der Mehrheit in diesem Rat abgelehnt. Wir sind daher dankbar, dass in diesem Haushalt Gelder bereitgestellt werden, um eine nach dem Schulgesetz verbindliche Elternbefragung durchzuführen, um den tatsächlichen Bedarf an Plätzen und Schulformen festzustellen.
Bei dieser Befragung sollen bereits mögliche Änderungen der Schulgesetzgebung durch die neue Landesregierung berücksichtigt werden.

Eins sollte jedoch allen Beteiligten klar sein – sollte bei dieser Befragung ein Mehrbedarf an Gesamtschulplätzen herauskommen, ist die Stadt Bergheim auch in der Verpflichtung, diese zu schaffen, genau so wie wir von unserer Forderung ablassen, wenn die Befragung ein anderes Ergebnis liefert.

Neben dem Ausbau und der Erweiterung unserer Bildungseinrichtungen, haben wir Sozialdemokarten sehr positiv zur Kenntnis genommen, dass Sie, Frau Bürgermeisterin, mit der Einbringung des Haushalts jegliche Kürzungen im Bereich Kinder und Jugendliche ausgeschlossen hatten und darüber alle Bürgerinnen und Bürger informiert haben.

Ihre Worte in der Ratsitzung am 22. März diesen Jahres dazu: „Es darf nicht sein, dass Kinder und Jugendliche die Folgen der Finanzkrise auslöffeln müssen – jedenfalls nicht in Bergheim!

Umso erstaunter waren wir, als wir Ihre ersten Korrekturen nach der letzten Steuerschätzung erhielten, wonach bei den Jugendzentren ab dem Jahr 2012 jährlich 70 T€ und bei den Maßnahmen und Projekten der Jugendarbeit ab 2012 jeweils 10% der Haushaltsansätze gekürzt werden sollten. Die pauschale Kürzung um 5 T€ bei der Unterhaltung der Kinderspielplätze, die sie uns vorgeschlagen haben, sei dabei nur am Rande erwähnt.

Glücklicherweise hatten alle Fraktionen noch Ihre Worte vom März im Kopf und haben deshalb postwendend Ihre nachträglichen Kürzungen abgelehnt, womit es uns erspart bleibt, sie als jemanden zu entlarven, der nicht das tut, was er verspricht.

Die Bergheimer SPD hält die in unserer Stadt geleistete und zu leistende Kinder- und Jugendarbeit für so wichtig, dass wir hier aufsatteln wollen, ja aufsatteln müssen, wenn uns die Versäumnisse von heute nicht morgen schon wieder einholen sollen.

Bergheim-Mitte, Zieverich und Kenten haben das vom Land NRW geförderte Stadtteilprojekt Bergheim-Süd-West – Quadrath-Ichendorf, der größte Bergheimer Stadtteil hat nichts Vergleichbares, obwohl die Probleme auch hier gravierend sind.

Die SPD fordert deshalb schon seit langem einen Streetworker, der nur für Quadrath-Ichendorf tätig sein soll und wird in dieser Forderung auch von den anderen örtlichen Parteien unterstützt.
Wir sind deshalb sehr froh, dass es mit diesem Haushalt nicht nur gelungen ist, in Quadrath-Ichendorf eine Fachstelle für Integration einzurichten, sondern zusätzlich unseren Forderungen nachgekommen wurde, auch Haushaltsmittel für einen Streetworker bereit zu stellen, der sich schwerpunktmäßig, jedoch nicht ausschließlich um Quadrath-Ichendorf kümmert.

Eine wesentliche Forderung der SPD im Kommunalwahlkampf war auch die Abschaffung der belastenden Nutzungsentgelte, die Vereine und Verbände für die Dauernutzung von städtischen Sportstätten und Gebäuden zu zahlen haben.

Nicht etwa, dass wir das Geld nicht bräuchten – veranschlagt sind immerhin 90 T€ jährlich – so halten wir die Nutzungsentgelte für kontraproduktiv, Vereine und Verbände zu motivieren, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Dabei ist das Ehrenamt schon jetzt eine unverzichtbare Säule unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts, ohne dass eine Stadt, eine Gemeinde gar nicht mehr funktionieren kann. Wir sind deshalb den anderen Fraktionen dankbar, dass sie unserer Forderung gefolgt sind und wir ab dem Jahr 2011 auf die Nutzungsentgelte verzichten werden.

Dabei war es auch Konsens zwischen den Fraktionen, dass wir ein neues System einführen wollen, das statt auf der Bezahlung auf der Belohung basiert und so die Verbände und Vereine motiviert, sich verstärkt zu engagieren, den städtischen Haushalt zu entlasten.

Vereine und Verbände, die in besonderem Maße Eigenmittel für bestimmte Projekte einbringen, sei es in Form von Geld oder Leistungen und dann auch noch dazu bereit sind, die angeschafften Güter nachweislich und nachhaltig zu pflegen, werden von uns jetzt und in Zukunft unterstützt.
Wir unterstützen deshalb den BC Viktoria Glesch-Paffendorf bei der Anlage eines Kunstrasenplatzes in Glesch und wünschen uns, dass sich viele Vereine hieran ein Beispiel nehmen.

Für diese Form der Unterstützung darf es aus unserer Sicht keine Denkverbote mehr geben, und sollte morgen ein Verein kommen und eine ganze Sportanlage oder ein Bad mit allen Rechten und Pflichten übernehmen wollen, dann wären wir schon übermorgen bereit, darüber zu verhandeln.

So möchte ich zum Abschluss meiner Rede kommen und mich bei meinen Fraktionskollegen, den anderen Fraktionen und der Verwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

Auch wenn noch nicht alle Ortsbürgermeister, oder sollte ich besser Ortsbürgermeisterinnen sagen, den Ernst der Lage verstanden haben und unbedingt das ein oder andere Prestigeobjekt in ihrem Ort durchsetzen wollen, war die Verabschiedung des diesjährigen Haushalts von der Einsicht geprägt, dass man in schwierigen Zeiten zusammenrückt, das Parteipolitische hinten anstellt, um das zu realisieren, was bei dieser bescheidenen Haushaltslage überhaupt noch möglich ist.

Die SPD-Fraktion hat dem Bäderkonzept zugestimmt und stimmt jetzt dem Haushalt zu. Wir übernehmen Verantwortung und helfen in schwierigen Zeiten. Bitte enttäuschen Sie uns nicht.

Glück Auf